GO Tag 2: Tischtennis und ein Kuss

Geschrieben am 10.10.2019

Es ist ein schönes Bild:  An einem Mittwoch ist die Halle 4 in der ÖVB-Arena

proppevoll , seit Tagen ausverkauft. Begeisterte Zuschauer säumen die Tribüne.

Die 43-jährige Rückhand-Legende Alex Karakasevic und der Weltranglistenerste

Xu Xin spielen in der Mixed-Konkurrenz.

Gebannt schauen alle zu - Männer, Frauen, Kinder; Pärchen, Verliebte. Alle sind

sie gekommen um dieses faszinierende Spiel zu bestaunen, das die Besten der

Welt vor ihren Augen demonstrieren. An jeder Ecke wird sich umarmt und

geküsst. Erste Küsse, scheue Küsse, ersehnte Küsse, heiße Küsse, Dankesküsse,

Abschiedsküsse, aber auch verunglückte, lächerliche, verlogene und folgenschwere.

Zur Begrüßung, zur Belohnung oder zum Spielgewinn.

„Küssen ist ein süßes Spiel“, schrieb 1829 Adelbert von Chamisso und daran war

und ist nichts zu deuteln. Auch Tischtennis-Spieler lassen sich gern zum Küssen

verführen.

Ich selbst kam durch einen (unterbliebenen) Kuss zum Tischtennis !

Tja, sie kam damals und verschwand nach 10 Monaten, die badische Maria,

einzige Tochter eines umherirrenden Scherenschleifers, der wir, um sie zu

ärgern, den Namen BLACKY aufgezwungen hatten. Blass, mit ihrem schwarzen,

impulsiven Haarschopf, den sie wie eine dunkle Trophäe schwenkte, schlug sie

jeden im Tischtennis und ich (der blutige Laie) sah zögernd, hin- und hergerissen

zu wie sie mit gierigen, blanken Augen und einer Haut wie Tulpenblätter meine

pubertierenden Schulkameraden demontierte. Alle.. nacheinander.. immer wieder.

Einmal versprach sie mir ein Spiel und einen Kuss für eine Lateinaufgabe, die sie

wahnsinnig machte. Sie versprach es mit Schwur, aber am nächsten Tag, da

kreuzte sie auf eine gewisse Art die Finger hinter dem Rücken und sie sagte

nein und immer wieder nein, ohne sich umzuwenden und sie lachte dabei aus

vollem Halse.

Sie ging fort, aber Tischtennis ist mir geblieben. 

(Rudolf Alfani)